Kündigung trotz Schwangerschaft ist oft rechtlich anfechtbar, besonders bei freier Alternativwohnung und familiärer Härte.

Kündigung wegen Eigenbedarf bei Schwangerschaft
Ein junges Paar erhält die Kündigung: Drei Monate Frist, Eigenbedarf der Vermieterin – soweit der Standard. Doch es gibt zwei besondere Umstände: Die Frau ist schwanger und auf dem Grundstück steht ein weiteres Haus leer, das der Vermieterin gehört. Ihr Plan? Alleine in das gekündigte Haus einziehen. Für das Paar, das mit Hund und zwei Katzen lebt, eine emotionale und logistische Belastung.
Die Frage drängt sich auf: Muss man das so hinnehmen? Gibt es rechtliche Mittel, um diese Kündigung wegen Schwangerschaft zu stoppen oder zumindest hinauszuzögern? Und vor allem: Was gilt, wenn eine Alternativwohnung vorhanden ist? All das schauen wir uns jetzt im Detail an.
Eigenbedarf rechtlich begrenzt
Nicht jede Eigenbedarfskündigung ist automatisch gültig – das ist der erste wichtige Punkt. Laut § 573 BGB darf ein Vermieter nur kündigen, wenn er „ein berechtigtes Interesse“ daran hat, die Wohnung selbst zu nutzen. Doch was ist, wenn eine andere passende Wohnung leer steht?
Alternative Wohnung und Rechtsmissbrauch
Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen (u. a. WM 89, 114 und WM 90, 536) klargestellt: Wenn dem Vermieter eine vergleichbare leerstehende Wohnung zur Verfügung steht, darf er keine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Tut er es trotzdem, kann dies als Rechtsmissbrauch gewertet werden – und das wiederum macht die Kündigung unwirksam.
Besonders dann, wenn die alternative Wohnung nach der Kündigung frei wird und dennoch nicht angeboten wird, ist laut BVerfG der Eigenbedarf fraglich. Wird diese Wohnung sogar an Dritte weitervermietet, obwohl sie für den Eigenbedarf geeignet wäre, untergräbt das die Glaubwürdigkeit des Kündigungsgrunds.
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Nun zur zweiten entscheidenden Komponente: die Schwangerschaft. Auch hier gibt es klare gesetzliche Schutzmechanismen, die man kennen sollte.
Was ist ein Härtefall nach § 574 BGB?
Laut § 574 BGB kann ein Mieter der Kündigung widersprechen, wenn sie für ihn oder seine Familie eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Und genau hier kommt die Schwangerschaft ins Spiel. Eine fortgeschrittene Schwangerschaft, kombiniert mit der Schwierigkeit, kurzfristig geeigneten Wohnraum zu finden, stellt laut LG Stuttgart (WM 91, 347) einen anerkannten Härtefall dar.
Verlängerte Schonfrist nach Geburt
Das Landgericht Stuttgart ging sogar noch weiter: Selbst nach der Geburt besteht eine sogenannte „angemessene Schonfrist“. In dem genannten Fall wurde dem Paar eine Frist von zehn Wochen nach der Entbindung zugesprochen. Das bedeutet: Auch wenn die Kündigung grundsätzlich rechtmäßig wäre, kann der Auszug erheblich verzögert werden.
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Wichtig: Ein Härtefall schützt nur, wenn man ihn auch geltend macht. Und zwar korrekt und fristgerecht. Hier lauern viele juristische Fallstricke, die man vermeiden sollte.
Schriftform und Fristen nach § 574b BGB
Ein Widerspruch muss immer schriftlich beim Vermieter eingehen. Hat der Vermieter in der Kündigung explizit auf das Widerspruchsrecht hingewiesen, muss der Widerspruch spätestens zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist erklärt werden (§ 574b Abs. 2 BGB). Wurde dieser Hinweis nicht gegeben, kann der Widerspruch noch im ersten Termin eines Räumungsprozesses erklärt werden.
Begründung sorgfältig formulieren
Es reicht nicht aus, einfach zu sagen: „Wir widersprechen.“ Die Umstände müssen klar dargelegt werden – also die Schwangerschaft, die Haustiere, die fehlende Alternativen und die Belastung durch Umzug während dieser sensiblen Lebensphase. Je konkreter und nachvollziehbarer die Begründung, desto eher hat man Erfolg.
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Zurück zur Ausgangsfrage: Was ist mit der leerstehenden Wohnung auf demselben Grundstück?
Zumutbarkeit und Gleichwertigkeit prüfen
Rechtlich ist es von Bedeutung, ob die andere Wohnung vergleichbar ist – also in Größe, Ausstattung und Lage. Wenn ja, ist der Vermieter in der Pflicht, diese zuerst zu nutzen, bevor er eine Kündigung ausspricht. Allein der Wunsch, „lieber in das andere Haus“ zu ziehen, reicht nicht aus.
Was passiert, wenn sie die Wohnung trotzdem nicht nutzt?
Dann liegt ein klassischer Fall von Rechtsmissbrauch vor – und das kann vor Gericht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Besonders, wenn nachgewiesen werden kann, dass die Wohnung bewusst leer gehalten oder an Dritte vergeben wurde, obwohl der Vermieter selbst darin wohnen könnte.
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Diese Art von Konflikten sind rechtlich komplex, emotional aufgeladen und oft mit Zeitdruck verbunden. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich daher dringend rechtlich beraten lassen.
Mieterverein oder Anwalt
Ein erster Weg kann der örtliche Mieterverein sein. Diese bieten oft kostengünstige oder sogar kostenlose Beratung an. Bei komplizierteren Fällen – wie Schwangerschaft und parallelem Leerstand – empfiehlt sich die Konsultation eines Fachanwalts für Mietrecht.
Was kann man durchsetzen?
Mit einem gut begründeten Widerspruch lassen sich entweder die Kündigung komplett abwehren oder zumindest wertvolle Zeit gewinnen – und das ist besonders bei einer Schwangerschaft oft das Wichtigste.
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Wenn man schwanger ist, ist man nicht einfach „Mieter mit Sonderstatus“, sondern befindet sich in einer rechtlich geschützten Lebensphase. Das sollte man selbstbewusst vertreten – aber eben auch sachlich und juristisch fundiert.
Wann liegt ein ausreichender Härtefall vor?
Immer dann, wenn die physischen oder psychischen Belastungen – wie bei einer Schwangerschaft – den Umzug innerhalb der gesetzlichen Frist unzumutbar machen. Besonders bei zusätzlichen Faktoren wie Tieren, familiären Verpflichtungen oder chronischen Erkrankungen steigen die Erfolgschancen des Widerspruchs.